Hergestellt,
um getragen zu werden

Die Geschichte von Polo Western

An einem Frühlingsabend im Jahr 1979 streiften prominente Cowboys durch die Straßen von Manhattan. Andy Warhol, Norman Mailer, Margaux Hemmingway und Geraldine Fitzgerald – alle in Cowboystiefeln und -jacken – schlossen sich dem Zug an, der an diesem Abend zu Bloomingdale’s strömte. Für einige war es nicht das erste Rodeo. „Ich komme aus South Dakota“, erzählte Tom Brokaw einem Reporter. „Stiefel gehören zu meiner Standardgarderobe.“

Im Erdgeschoss von Bloomingdale’s – mit Hilfe von Heuballen und Square-Dance-Musik umgestaltet – befand sich neuerdings ein Store von Polo Western und Ralph Lauren Western, den neuen Denim-, Bekleidungs- und Accessoires-Kollektionen des Designers. Im Sinne des typisch amerikanischen Flairs der Kollektion organisierte die Kennedy-Familie eine Benefizveranstaltung für ca. 500 betuchte Gäste, mit Chili und Rippchen aus dem Lone Star Cafe, einem texanischen Restaurant auf der Fifth Avenue. Eunice Kennedy Shriver und Pat Kennedy Lawford verließen die Party mit Cowboyhüten von Ralph Lauren. Die amerikanische Mode hatte einen neuen Look erhalten, der großen Zuspruch erhielt.

Polo Western war an erster Stelle eine Denim-Marke, gegründet in der Tradition der amerikanischen Workwear: echtes, bequemes, zeitloses Denim gepaart mit einer ganzen Palette an Western-Symbolik – Lederwesten, Cowboystiefel, Hemden mit Perlendruckknöpfen und Kontrastpaspeln, Western-Sakkos, Bandanas, Latzhosen und Gürtel mit Adlerschnallen. Ralph Lauren nutzte das Idealbild des amerikanischen Cowboys und interpretierte es so authentisch wie möglich neu. Er war sogar selbst in den Werbekampagnen zu sehen und trug – statt Artikeln aus der Kollektion – Vintage-Kleidung aus seiner eigenen Garderobe, die als Inspiration für die Kollektion gedient hatte. „Meiner Meinung nach liegt im Wesen des Western-Stils eine rustikale Eleganz und authentische Wirkung, mit der die Menschen etwas anfangen können“, hat Ralph Lauren einmal gesagt. „Die Kleidung drückt Empfindsamkeit und Ehrlichkeit aus, was ihr etwas von Beständigkeit gibt.“

Das Timing war genau richtig. „Die Menschen haben eine neue, grundlegende Ehrfurcht vor der Natur, dem Land, dem Sonnenschein und sauberer Luft“, sagte er. „Westernkleidung spiegelt diese Liebe für die freie Natur wider, diesen Stolz auf sich selbst und seinen Körper.“

Für Ralph Lauren war das schon immer so. Die Pracht des amerikanischen Westens war etwas, von dem er schon als Junge träumte, als er bei seinen zahlreichen Kinobesuchen in der New Yorker Bronx John Wayne und Gary Cooper im flackernden Licht der Kinoleinwand beobachtete.

Als Ralph Lauren schließlich Mitte der 1970er-Jahre seinen Träumen Richtung Westen folgte, legte er auf der Reise nach Denver und Dallas auch einen Zwischenstopp bei Sheplers in Englewood, Colorado, ein, einem Händler für Sättel, Hüte, kleine Lederwaren und Westernhemden, der seit der Jahrhundertwende Cowboys ausstattete. Hier konnte man sich leicht in Gary Cooper aus dem Film Zwölf Uhr mittags verwandeln. Einziger Wermutstropfen: „Die Hemden waren nicht aus Baumwolle, sondern aus Polyester, und die Kragen waren zu groß“, erinnert sich Buffy Birrittella, die Ralph Lauren auf diesen Reisen als Leiterin für Werbung und Damenmodendesign begleitete. „Das, was er suchte, konnte er nicht finden, weil es einfach nicht mehr existierte. Die Details waren nicht so authentisch wie die, an die er sich in seiner Fantasie erinnerte.“

„Wir fuhren nach Santa Fe, Taos und Durango“, erzählte Ralph Lauren über diese ersten Erkundungen. „Als ich wieder zurück war, ging ich jeden Tag in Cowboykleidung zur Arbeit – es gab mir ein Gefühl von Freiheit.“ Später drückte er es so aus: „Warum mag ich Tweedjacken mit Ellbogenaufnähern? Weil die Aufnäher verwendet wurden, wenn jemand sagte: ‚Ich kann mir keinen neuen Anzug leisten. Ich nähe einen Aufnäher drauf.‘ Das gefällt mir an Westernkleidung und am englischen Stil gleichermaßen: Es gibt eine alte Tradition; sie ist grundlegend wie die Erde. Da war nichts gekünstelt – das war keine Mode.“

Es war der Wagemut eines Anti-Modestatements auf dem Laufsteg, der die Aufmerksamkeit der Magazinherausgeber für die Herbstsaison 1978 erregte, als Ralph Lauren seine Models in Westernhemden, maßgeschneidertem Leder und Cowboystiefeln auf den Laufsteg schickte. „Sie alle vermittelten ein Gefühl, eine Patina, einen Stil, der sich beim Tragen so anfühlte, als würde man wirklich dieses von Freiheit geprägte Leben leben“, erinnert sich Mary Randolph Carter, die in den 1980er-Jahren als Kreativdirektorin zum Unternehmen kam. „Das war großartiges Material für Leitartikel, und nicht nur für amerikanische Herausgeber. Ich glaube, dass die europäische Presse sogar noch faszinierter war von diesen frühen Westernkollektionen.“

Diese Dynamik hielt sich den ganzen Sommer 1978, als Ralph Lauren das Debüt von Polo Western und Ralph Lauren Western mit einer Party im 21 Club bekannt gab. Drei Wochen, nachdem die Kollektion in die Läden gelangt war, war sie schon so gut wie ausverkauft und sorgte allein im ersten Jahr für einen Umsatz von 25 Millionen Dollar. Bald wurde angekündigt, dass Polo Western in 75 Kaufhäuser und Fachgeschäfte im ganzen Land expandieren würde.

Doug Bihlmaier erinnert sich, wie seine Kundschaft in Texas, wo er Polo Ralph Lauren in einem der besten Stores für Herrenbekleidung in Dallas verkaufte, die Neuigkeit aufnahm. „Tommy Lee Jones liebte Polo Western“, sagt Bihlmaier. „Er hatte zu dieser Zeit eine Ranch in Texas.“ Er erinnert sich, dass die meisten Leute, die ihren Urlaub im Westen verbrachten, „einen nagelneuen Hut oder nagelneue Stiefel haben wollten. Wir haben unseren Kunden jedoch immer gesagt: ‚Wenn es Ihnen jetzt schon gefällt, warten Sie es ab – es wird mit der Zeit immer schöner.‘“

Inzwischen leitet Bihlmaier Ralph Laurens Vintage-Einkäuferteam und verrät, dass Artikel aus der Kollektion Polo Western zu den begehrtesten Sammlerstücken gehören. Sie ziehen die Aufmerksamkeit des geschulten Auges auf sich, meint er. „Wenn Sie sich einen Haufen Kleidung ansehen, sagen wir karierte Hemden, können Sie schon fast vom anderen Ende des Raums sagen, ‚Wow, da ist eins‘. Ralph Laurens Sinn für Farben hebt ihn auch heute noch von allen anderen ab.“ Das ist ein Stichwort, das Frau Birrittella gut kennt. „Ich gehe noch immer zu Antiquitätenschauen – dort verkaufen sie Stiefel von Polo Western nach dem Motto: ‚Oh, das sind Ralph Laurens aus den 60ern‘, und ich denke dann: ‚Nein, sind sie nicht‘“, lacht sie. „Das sind eigentlich Ralph Laurens von 1979.“ Die zweifarbigen Stiefel mit handgearbeiteten Lederblumen gehören zu den begehrtesten Kleidungsstücken von Polo Western auf dem Vintage-Markt, genauso wie die Rodeohemden und die Filzhüte.

Auf charakteristischen Bildern von Ralph Lauren – darunter auch das Portrait von Bruce Weber auf dem Cover von Ralph Lauren: 50 Years, einem gerade erschienenen Buch über die Karriere des Designers – trägt er seinen Lieblings-Cowboyhut, ein Relikt aus der Zeit der Western-Filmepen Hollywoods, das ihm der Regisseur Joel Schumacher geschenkt hat.

„Er glaubt an die Langlebigkeit von Produkten, nicht nur, weil sie hergestellt wurden, um getragen zu werden, sondern auch, weil die Idee langlebig sein soll“, verdeutlicht Frau Birrittella. Dies sind Kleidungsstücke, die sowohl von Cowboys als auch von Städtern getragen werden sollen – jetzt und in 40 Jahren –, denn schließlich ist Originalität zeitlos. Ralph Laurens Ideal des amerikanischen Westens hat sich im Hinblick auf die Labels, die uns dieses Ideal zeigen, weiterentwickelt. Das gilt für Polo Western und für Double RL, „jedoch waren sie immer Teil der authentischen Stimmung, die er 1978 schuf“, hebt sie hervor.

„Diese ganze Ästhetik als Designer spricht für die Integrität von Bekleidung, die dafür hergestellt wurde, um getragen zu werden, um nützlich und nicht nur Mode zu sein. Sie tragen etwas, das Ihnen etwas bedeutet.“
Phillip B. Crook ist Director of Luxury Editorial bei Ralph Lauren.