Geschichte schreiben

Das Polohemd ist 50 Jahre nach seinem Debüt immer noch ein zeitloses Modeobjekt

In seinem gerade von Rizzoli veröffentlichten neuen Buch Ralph Lauren’s Polo Shirt schreibt Ken Burns, dass sich Ralph Lauren bei seinen Entwürfen mit Zeitlosigkeit beschäftigt. „Wir identifizieren uns alle allzu sehr mit dem Material, mit dem Objekt“, schreibt er. „Aber das ist es nicht. Es ist dieses schwer definierbare ,Etwas’, das davon ausgeht.“

Vielleicht ist es deshalb kaum zu glauben, dass das Polohemd 50 Jahre alt ist. Irgendwie hat man den Eindruck, es war schon immer – einfach zeitlos. Und dennoch bemerken Sie, wie frisch es sich anfühlt, wenn Sie heute eins in die Hand nehmen. Um dieses schwer definierbare „Etwas“ besser zu verstehen, sollte man sich die ganze Geschichte dieses Shirts ansehen: wo es herkommt, wo es hingeht und wie alles begann.

Beginnen wir mit dem Namensgeber: Polo. Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Spieler in Indien, wo der Sport seinen Ursprung hat, ein langärmliges Hemd mit einem aufknöpfbaren Kragen zu tragen, das beim Reiten auf dem Pferd besser saß. Britische Kolonisten bewunderten den Stil und brachten ihn mit nach England, wo er sich verbreitete. Diese Silhouette gibt es heute zwar immer noch, aber unter einem Polohemd versehen wir eigentlich etwas anderes.

Der Stil geht stattdessen komischerweise zurück auf den Tennissport. 1926 entwarf René Lacoste sein eigenes kurzärmliges Kragenshirt aus Baumwollpiqué und trug es bei den US Open. Ein Jahr später fügte er wegen seines Spitznamens auf der Brust ein Krokodil hinzu. Nach seinem Karriereende 1933 begann er damit, das Hemd herzustellen und an Fans zu verkaufen. In den nachfolgenden Jahrzehnten sah man angesehene Persönlichkeiten (Eisenhower, JFK), Hollywoodlegenden (Bing Crosby, Bob Hope), Sportler (Arnold Palmer) und königliche Stilikonen (der Herzog von Windsor) in Poloshirts. Gleichzeitig setzte sich der Stil (zunehmend hergestellt aus Polyester, dem neuen Hightech-Stoff der Zeit) an den amerikanischen Ivy-League-Hochschulen durch und wurde zu einem beliebten Kleidungsstück der Popperkultur.

Das Earth Polo wurde 2019 erstmals vorgestellt und wird vollständig aus recycelten Plastikflaschen hergestellt
Das Earth Polo wurde 2019 erstmals vorgestellt und wird vollständig aus recycelten Plastikflaschen hergestellt

Nun kommt Ralph Lauren. 1967 debütierte Polo als Krawattenmarke in New York City. 1971 arbeitete Ralph Lauren bereits als Modedesigner und hatte das Ponysymbol eingeführt (das inzwischen Kultcharakter hat) – jedoch nicht auf einem Polohemd, sondern auf der Ärmelmanschette einer Damenbluse. Ein Jahr später, 1972, erlebte die Modebranche einen Paradigmenwechsel: Die Einführung des Polohemds. Es wurde nicht aus Baumwollpiqué hergestellt, sondern aus Interlock, hatte eine schöne Passform und eine Farbpalette, die mit der Zeit ausgeweitet wurde und sorgte umgehend für Furore (zu den Fans zählten Leute wie Frank Sinatra, der bei einem Einkaufsausflug angeblich 20 Polohemden kaufte).

Kein Wunder: Das Polohemd verkörpert die Ästhetik von Ralph Lauren. Es ist sportlich, aber auch elegant. Es ist elegant genug, um es zu einem marineblauen Sakko im Country Club zu tragen, und leger genug, sodass Ronald Reagan es tragen könnte, um sein Westernimage zu untermauern. Das charakteristische Pony – bekannt dafür, dass es aus 1.100 Stichen besteht – ist sowohl eine elegante als auch verspielte Verzierung, die mit Bedeutung geladen ist. Die Farbpalette ist nach Ansicht von Ralph Lauren der Hauptgrund für den Erfolg dieses Hemds – 1977 gab es 17 Farben und 40 Jahre später 66 Farben, die alle vom Designer selbst ausgewählt wurden.

Jane Golliher, Jackson Hole, Wyoming
Jane Golliher, Jackson Hole, Wyoming

Und die Farbauswahl war erst der Anfang. Im Wandel der Zeit wurden immer wieder neue Variationen des Polohemds entwickelt. In den 80er Jahren begann die Marke mit der Einführung des Streifenlooks – Brooke Shields trug auf der Titelseite von Vogue, ein gestreiftes Polohemd neben der Schlagzeile „Amerikanischer Look vom Feinsten!“ Außerdem wurde ein Etikett mit serifenlosem Schriftdesign eingeführt. Sammler können anhand dessen inzwischen erkennen, wie alt ihr neustes Fundstück ist. 1986 gab es die erste Alternative zum Pony: ein Wappen. Und 1989 wurde mit Polo Golf erstmals eine Verbindung zum Sport hergestellt und ein Polohemd aus Funktionsmaterial mit längeren, weiteren Ärmeln eingeführt. Tom Watson trug es beim Ryder Cup (den US Open) und den British Open und festigte damit den Kultcharakter des Hemds.

In den 90er Jahren wurde es etwas legerer und die Grundform des Polohemds änderte sich erstmals: Das Big-Fit war länger, weiter geschnitten und hatte eine Brusttasche (bei Männern) und gilt als Vorreiter der legereren Silhouetten dieses Jahrzehnts. 1994 schlug das Pendel in die andere Richtung. Auf einer Modenschau hatte das heute immer noch erhältliche Mini Polo mit einer schmaleren und kürzeren Passform für Frauen sein Debüt. Und was wären die 90er Jahre ohne den Polo Bear? Kurz nach dem Debüt in der Holiday-Kollektion 1991–1992 tauchte dieses Lieblingsmodeobjekt vieler Leute auf dem Polohemd auf.

In den 90er Jahren wagte Polo auch erstmals einen Ausflug in internationale Gewässer – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: beim America’s Cup 1992 gab es das erste Polohemd mit US-Flagge und dem Namen des amerikanischen Teams. Dies war der Beginn einer langen Beziehung zwischen dem Polohemd und großen weltweiten Sportereignissen. Die Balljungen und -mädchen der US Open tragen seit 2005 Polohemden. Auf Anweisung von Ralph Lauren sind sie mit einem größeren Pony verziert, sodass Fans, die sich ein Match im Fernsehen ansehen, es besser erkennen können. Ein Jahr später begannen auch die Balljungen und -mädchen in Wimbledon, Polohemden zu tragen. Und 2008 hatte das Polohemd seinen Auftritt auf der größten globalen Sportbühne, als das Team der USA bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Peking Polohemden trug. Seitdem ist Polo Ralph Lauren offizieller Ausstatter von Team USA bei allen Olympischen Spielen – unvergesslich auch 2016, als zur Identifizierung von Medaillengewinnern ein besonderes Hemd entwickelt wurde, das gold-, silber- und bronzefarbene Ponys hatte. /p>

Das neue Jahrhundert brachte auch einige Polohemden mit besonders bedeutsamen Neuerungen hervor. 2003 wurden Kunden im Rahmen der Kampagne „Create Your Own“ darum gebeten, ihre eigenen Hemden zu gestalten, einschließlich eines neuen Custom-Fit – ein Mittelding zwischen Classic- und Slim-Fit. (2021 ist die individuelle Gestaltung mit der Einführung von auf Bestellung gefertigten Polohemden vollständig angekommen.) Im Jahr 2000 hatte eine limitierte Auflage von Polohemden der Pink-Pony-Kollektion Premiere, passenderweise mit rosafarbenen Ponys. Damit sollte Geld zur Bekämpfung von Krebs gesammelt werden. Das Earth Polo aus einem innovativen Stoff, der komplett aus recycelten Plastikflaschen hergestellt wird, kam 2019 heraus, im selben Jahr wie das erste Polo-Pride-Hemd. (Das Hemd hatte ein regenbogenfarbenes Pride-Pony und später einen Kragen in Regenbogenfarben.) Ein Jahr später sollte während des Lockdowns aufgrund der COVID-19-Pandemie mit dem Polo-Projekt „Design for Good“ Geld für Hilfsaktionen gesammelt werden. Es gab einen einmaligen Designwettbewerb, den Michelle Smith für ihren rührenden Beitrag „Just Let Me Breathe“ gewann. Zu sehen ist darauf ihr Sohn, der eine Maske trägt und hinter ihm das Wort „HOPE“.

Nach so vielen Jahren und so vielen Versionen ist es nur natürlich, dass das Hemd eine Art Auszeichnung für das Lebenswerk erhalten hat und nach der Ausstellung im Jahr 2017 Items: Is Fashion Modern? in die Dauerausstellung des Museum of Modern Art aufgenommen wurde. Das in diesem Frühling von Rizzoli veröffentlichte Buch Ralph Lauren’s Polo Shirt erzählt die ganze Geschichte. Im Vorwort schreibt Ralph Lauren: „Ich wollte, dass das Hemd ein Teil des Lebens der Person wird, die es trägt.“ „Ich hätte nie gedacht, dass es 50 Jahre später weltweit ein derart persönliches Symbol sein würde.“

Mitglieder und Absolventen von Work to Ride, Pennsylvania
Mitglieder und Absolventen von Work to Ride, Pennsylvania
Paul L. Underwood ist Schriftsteller und lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Austin, Texas.
  • © Ralph Lauren Corporation